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Fotodiplome. Die letzten ihrer Art

Gesine Born

Die vernünftigste Stadt der Welt



Die vernünftigste Stadt der Welt erzählt von einem Gefühl, das den Deutschen zu Beginn der 70er Jahre innewohnte: ein hoffnungsvoller Glaube an den technischen Fortschritt und die Zukunft. Mit der Mondlandung schien jede erdenkliche Utopie in der Zukunft realisierbar zu sein und so lieferten die 70er Jahre ganzheitliche Ideen zur Lösung der sich aufzeigenden Probleme. Die Besiedelung des Meeresgrundes war zum Beispiel eine ernsthafte überlegung von Wissenschaftlern, um die Bevölkerungsexplosion zu bewältigen.

In der Architektur und Stadtplanung dieser Zeit waren futuristischen Entwürfe riesiger modulhafter Wohnanlagen populär, in denen die Menschen glücklich leben und arbeiten sollten. Studien belegten zudem, dass Hochhausfamilien glücklicher seien, da sie mehr nachbarschaftliche Kontakte hätten und das Leben mit weniger Arbeit verbunden sei.

Der vorherrschende Fortschrittsoptimismus bescherte Deutschland unzählige Wohn-, Einkaufs- und Arbeitskomplexe aus Beton.

Für meine Arbeit bereiste ich diese Stadtgebiete, die sich inzwischen oft zu sozialen Brennpunkten entwickelt haben. Um das Illusionäre des utopischen Traums wahr werden zu lassen, griff ich später in die entstandenen Bilder manipulativ ein, indem ich störende Details wie Graffiti oder Schmutz aus den Bildern heraus retuschierte.

Bevor die Bauten aus dem aktuellen Stadtbild und somit aus dem Bewusstsein der Menschen verschwinden, sollen die Bilder die Illusion einer vernünftigen Stadt erzeugen, zusammengesetzt aus den 24 entstandenen Bildern aus Deutschland.

Die Arbeit soll den utopischen Traum abbilden, der nie in Erfüllung gegangen ist. Sie soll auf eine leise, zurückhaltende Weise auf das Scheitern der Utopie verweisen, ohne ihre Existenzberechtigung in Frage zu stellen.

Jakob Börner

Grund Sicherung



Meine Diplomarbeit 'Grund Sicherung' befasst sich mit dem Thema Hartz IV, dem Arbeitslosengeld zwei, welches seit 2005 gezahlt wird. Ich wählte zwei Arten der Umsetzung für das Projekt.

Zum einen nahm ich Portraits auf. Vor dem Arbeitsamt Hamburg-Altona sprach ich unterschiedliche Arbeitssuchende an und bat Sie um ein Interview und um ein Portrait. An dem verabredeten Termin wurden dann zunächst Fragen gestellt - insbesondere nach Ihrer Meinung zur Institution Hartz IV - die ich mit einem Diktiergerät aufnahm. Da diese Befragungen integraler Bestandteil meiner Vorgehensweise waren und auch interessante Aussagen gemacht wurden, werden diese zusammen mit den Portraits auf meiner Internetseite präsentiert. Im Anschluss an die Interviews wurde in den Räumlichkeiten der Befragten ein Portrait aufgenommen.

Zum anderen nahm ich Interieurs oder Details der Wohnungen auf, die ich besuchte. Hartz IV und Arbeitslosigkeit führt zu einem Rückzug in die eigenen vier Wände, da eine geregelte Beschäftigung fehlt. Durch die Situation können das eigene Selbstbewusstsein und Wertschätzung in Frage gestellt werden, aber auch neue Orientierungen entwickelt werden. Dies birgt für mich auch eine psychologische Komponente, die es zu untersuchen gilt und die sich für mich besonders in den Interieuraufnahmen ausdrückt.

Jan Brandes

Im Dunkeln leuchten



In der westlichen Gesellschaft betrachten wir unser Leben in erster Linie nicht mehr als Kampf ums Dasein, als Erfüllung von außen auferlegter Pflichten oder Befolgung gottgegebener Gebote. Stattdessen suchen wir nach Abwechslung, nach interessanten Erlebnissen und Selbstverwirklichung, wobei Konsum und Kommunikation die Hauptforen und -faktoren dieser neuen Identitätssuche und Verwirklichung sind. Neue Leitbilder, die diesem lockeren Anspruch nach Unterhaltung und Besonderheit entsprechen lösen überlieferte Autoritäten ab. Diese müssen sich nun an den neuen Maßstäben messen lassen. Stars verschiedenster Arten werden zu neuen Leitbildern, deren Verständnis ähnlich relevant wird wie in früheren Phasen der Menschheitsentwicklung das Verständnis von Göttern, Helden und Herrschern.

Verschiedene, alte und neue, Formen von Verehrung zusammenzutragen und sie in einer Fotoserie einander gegenüberzustellen, zu sehen, inwieweit sie einander gleichen oder sich spezialisiert haben und nun voneinander unterscheiden, wie austauschbar oder einzigartig sie sind, ist das Leitmotiv dieser Arbeit.

Die beobachteten Szenen ergeben einen Mix aus Fankultur, Fetisch, Markenwahn, Patriotismus, Religion, Sex und Heldentum. So vermittelt diese Arbeit einen Einblick in das, was Teil unserer Gesellschaft ist und schon immer Teil der menschlichen Natur war.

Tina Demetriades

Der Körper - Ästhetik, Abstraktion, Form



Der Begriff Fotografie stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich übersetzt "mit Licht schreiben oder zeichnen". In meiner Diplomarbeit nehme ich das, was Fotografie bedeutet, sehr wörtlich. Ich zeichne mit Licht auf Körpern. Der Anspruch dieser Arbeit ist es, ästhetische Fotos mit abstrakten Formen zu schaffen, für die mir der Körper als Objekt dient. Mich interessiert, welche unterschiedlichen Formen der Körper bereithält und wie man durch die Verwendung verschiedener Techniken und Körperhaltungen neue Formen schaffen kann, die nicht unbedingt den menschlichen Körper präsentieren. Die Fotos zeigen den Körper, wie wir es nicht gewohnt sind. Ich versuche einen anderen Blick, andere Ansichten zu finden und damit den Betrachter zu überraschen, zu irritieren, Assoziationen zu wecken, mit vielleicht noch unbekannten Formen des Akts.

Pina Giesen

«... lieber Jäger lass mich leben, ich will dir auch 2 Junge geben ...» - Das 13. Zimmer



«Kinder brauchen Märchen, um die chaotischen und oftmals ambivalenten Gefühle in ihrem Inneren zu ordnen, zu integrieren und zu verstehen und somit eine höhere Reifung des Bewusstseins zu erreichen.» (Bruno Bettelheim, Professor für Psychologie und Erziehungswissenschaften)

In meiner Diplomarbeit verlasse ich die herkömmliche Sichtweise der Modefotografie mit Kindern. Statt dessen portraitiere ich Sie auf einer experimentellen Reise, wobei ich existenziellen Gefühlen, Wahrheiten und Ängsten fragmentarisch begegne und dem Betrachter diese Welt fotografisch zu eröffnen versuche. Dabei beziehe ich mich auf das Buch «The Meaning and Importance of Fairy Tales» des US-amerikanischen Erziehungswissenschaftlers Bruno Bettelheim, in dem er Märchen unter psychoanalytischen Gesichtspunkten beleuchtet und erörtert.

Michal Glazik

Was ich Dir erzählen wollte



Michal Glazik richtet den Fokus seiner Kamera auf den eigenen schillernden Kosmos. Er lädt zum Einblick in sein ganz privates Schaufenster, in dem existentielle Themen, wie Liebe, Sexualität, Tod, Heimat und Identität eine große Rolle spielen, inszeniert und fotografiert sich und seinen Freundeskreis in intimen Posen. Seine Fotografien versteht Michal Glazik als auf den ersten Blick konträre Fragmente, in der Summe werden die einzelnen Bilder zum universellen Fotomosaik.

Anna Gorecka

To co jest (Das was ist)



In einem sehr realen Sinne ist alles Leben verbunden. Alle Menschen gehören unvermeidlich einem Netzwerk an dessen Elemente allesamt zueinander in einer Wechselwirkung stehen und in einem einzigen Gewand des Schicksals verknüpft sind. Was auch immer einen bestimmten Menschen betrifft, betrifft indirekt auch alle seine Mitmenschen. Ich kann niemals das sein, was ich sein sollte, bis du das bist, was du sein solltest, und du kannst niemals sein was du sein solltest, bis ich bin was ich sein sollte. Das ist das Charakteristikum der Realität. Rev. Martin Luther King Jr.

Diese Arbeit ist ein Fotofilm und gleichzeitig ein Musikvideo. Sie beinhaltet fotografische Zeitdokumente, die bis ins Jahr 1972 reichen, sowie Situationen, die beinahe im Präsens fotografiert worden sind. Fotografien aus denen der Film besteht sind zum Teil Inszenierungen, weiter bearbeitete Bilder und zum Teil Bilder dokumentarischer Natur. Das Musikstück bestimmte meine Arbeitsweise, gab den Rythmus und die Länge des Fotofilms vor.

Mareike Günsche

Frauen in der Mongolei



Ein Frosch, der im Brunnen lebt beurteilt das Ausmaß des Himmels nach dem Brunnenrand. (mongolisches Sprichwort)

Meine Arbeit beschäftigt sich mit der Rolle der Frau in der Mongolei. Dazu habe ich über sechzig Frauen portraitiert.

Die Mongolei ist ein Land der ständigen Veränderungen. Es lassen sich jedoch drei verschiedene Haupteinflüsse erkennen, die die Gesellschaft heute bedingen: die traditionelle nomadische Kultur, der vergangene Sozialismus und die junge Demokratie-Bewegung.

Der zentrale Aspekt in dieser Arbeit ist die Frage nach der Rolle der Frau in dieser sich permanent wandelnden Gesellschaft. Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich die Rolle der Frau in diesem Prozess der Transition verändert hat. Diesen Wandel zu erfahren und zu erleben war meine Motivation für meinen Aufenthalt in der Mongolei. Welche Rollenmodelle bietet diese besondere Gesellschaft? Wie können sich diese Modelle verändern?

Sünje Hoek

Melting Pot - New York




New York ist eine Einwandererstadt und wird noch heute als «Melting Pot»* umschrieben . Hierher kommen nicht nur Einwanderer aus dem Rest der Welt, sondern auch aus dem übrigen Amerika. Die Stadt wird also überwiegend von Menschen geprägt, die nicht in New York geboren sind. Es gibt keine dominierende Kultur des Gastlandes. In einer Stadt wie New York leben die Einwohner in einem komplexen Geflecht aus unterschiedlichen Glaubensrichtungen, Kulturen und Sensibilitäten. Dieses komplexe Geflecht prägt das einzigartige New Yorker Lebensgefühl. «Melting Pot» ist eine Metapher, die ich für mein Projekt aufgegriffen habe und als äußere Fassade in meine Arbeit einfließen lasse.

New York wird des öfteren als Paradebeispiel angebracht, da es das Tor zur «Neuen Welt» beschreibt und so den amerikanischen Traum, die Suche nach Glück, verkörpert. Mein Interesse gilt den Momenten des «Innehaltens» in einer Gesellschaft der Schnelllebigkeit und des fortschreitenden Wandels.

«Es ist die manisch-depressive Qualität der Stadt, die alles überleben wird, denn letztlich war New York nie bloß ein Tor zur neuen Welt. New York war schon immer das Tor zu einem Ideal, das seiner Verwirklichung nirgendwo sonst auf der Welt so nahe gekommen ist.» (Lueken, 2007)

«New York - Die Stadt, die niemals schläft.» Diese Redewendung ist weltbekannt und reflektiert die Schnelllebigkeit und den fortschreitenden Wandel. Hier beschleunigen sich Ehrgeiz, Geld und Macht auf höchstem Tempo. Dort ist die äußere Fassade an einem Schnittpunkt angelangt, und scheint zu kippen. - Es geht um die Grenzlinie zwischen Realität und Utopie.

Das Alltagsgeschehen wird zur Szenerie, der Schauplatz zur Bühne, die New Yorker Zeitgenossen verschiedenster Kulturen zu Darstellern.

Die Porträtierten und Objekte werden fotografisch aus der vorherrschenden Realität entbunden und in einem Moment des «Innehaltens» hervorgehoben. Durch meine Beobachtungen auf den Straßen widme ich mich diesen scheinbar beiläufigen Situationen, die ich im Alltagsgeschehen New Yorks herausarbeite.

*In der Soziologie und in den Politikwissenschaften beschreibt der Begriff «Melting Pot» die Assimilation und Integration von Einwanderern in die Kultur eines Landes. Die verschiedenen Kulturen und Werte sollen sich zu einer gemeinsamen integrierten nationalen Kultur mischen. Neben «Melting Pots» sind aber immer auch so genannte «Salad Bowls» vorzufinden, in denen nicht alle Kulturen verschmolzen werden, sondern Einwanderergruppen je für sich eigene, klar abgegrenzte Kulturen pflegen.

Claudia Höhne

Sometimes you fall in love with a place without ever fully understanding it.



Während meiner letzten Semester im Studium habe ich mich hauptsächlich mit Modefotografie, Inszenierungen im Studio beschäftig. Dort war es möglich durch Licht und Kulissen künstliche Welten zu erzeugen, Stimmungen zu schaffen nach eigener Regie. Die Inszenierungen waren aufwendig und komplex, eine Mischung aus Realität und Verfremdung.

Für meine Diplomarbeit wollte ich aber diesen Spielplatz, auf dem kaum etwas mehr unmöglich schien, verlassen. Ich versuchte die Überspitzung, die Grellheit, die sich in der Modefotografie finden lässt, im Alltäglichen zu suchen. Manche Bilder zeigen das Wunderbare in technischer Kälte des Futuristischen oder im surreal Alltäglichen. Ich konnte mich für Orte begeistern, die ähnlich wie verlassene Filmsets wirkten, kulissenhaft. Nun wollte ich mir die Zeit nehmen, einfach an einer Strassenecke abwarten was passiert, ich hatte genug im Studio inszeniert und wollte reagieren auf die Realität, vorgefundene unfreiwillige Inszenierungen finden, die sich durch größtmögliche Künstlichkeit auszeichnen. Oftmals bin ich dem Prinzip der Neugier gefolgt, was passiert hinter dieser Ecke, werde ich dort ein Motiv finden? Ich führte für mich den Arbeitstitel Künstliche Welten / Künstlichkeit ein, um gezielt für mich nach diesen Orten zu suchen, die Einen für einen Moment inne halten lassen, in Bruchteilen zu entscheiden ob es ein wertvolles Bild werden könnte, oder ob man es vorbei ziehen lässt. Meist waren es Dinge am Rande des Geschehens, die mich interessierten, oder der Blick hinter die Kulissen, die Falle der Alltäglichkeit. Ohne die Wirklichkeit zu manipulieren fand ich meine Motive meist im Spannungsfeld zwischen Realität und Fiktion. Faszinierend fand ich zufällige Kompositionen, die aus verschiedenen Bildelementen bestanden, zunehmend in der Stillife und Architekturfotografie. Auf der Suche nach irritierenden Elementen fing ich an Menschen aus meinen Bildern auszuklammern, die unwirkliche Stille der Orte einzufangen. Ich betrachtete das Suchen und Finden der Bilder mehr und mehr als ein Abenteuer, wie anfangs die Studiofotografie.

Oliver Koniecki

Gottes Nachmieter



Aufgrund des seit Jahrzehnten rückläufigen Gottesdienstbesuches und der schwindenen Finanzstärke, sehen sich die christlichen Kirchen in Deutschland, sowie in vielen anderen Ländern, zunehmend mit der Frage konfrontiert, wie mit leerstehenden Kirchenräumen umgegangen werden soll, für die es keine Verwendung durch die Kirche mehr gibt.

Etwa die Hälfte der Kirchengebäude in Deutschland könnte in den nächsten Jahren von einer Schließung betroffen sein, sodass über Umbau, Umwidmung, Verkauf oder Abriss nachgedacht wird. Wie können diese im christlichen Sinne heiligen Stätten eine neue Verwendung finden und dabei das Vergangene respektvoll behandeln?

Viele entweihte Kirchen haben schon vor Jahren eine neue Nutzung erfahren. So findet man heutzutage unter anderem Konzerträume, Restaurants, Bibliotheken, Hotels, Sporthallen oder Banken in den ehemaligen Gotteshäusern.

Ziel der Photoreihe ist es, die vielfältige Nutzung dieser Bauten zu dokumentieren und dabei den Gegensatz zwischen dem ehemals heiligen Ort und der heutigen, modernen Verwendung dieser Räume darzustellen.

Joy Kröger

oceano mare



«Es wird immer ein Meer geben das Dich ruft.» (Alessandro Baricco)

Meine Arbeit «oceano mare» ist in erster Linie eine Hommage an das Meer. Eine intensive Beschäftigung mit dem Wesen des Meeres, seinen unzähligen Gesichtern und seiner Auswirkung auf den Menschen.

Basierend auf dem Inhalt des gleichnamigen Buches von Alessandro Baricco reiste ich ein halbes Jahr an verschiedene Küsten Spaniens, Polens, Dänemarks und Deutschlands.

Entstanden ist eine Serie von 21 analogen Galerieprints und ein Buchprojekt.

Mareile Mack

anderswo...



Die Photographien von Mareile Mack entziehen sich bewusst gewohnten Perspektiven und widmen sich den in der Realität versteckten Zwischenräumen. Die Bilderreihe "anderswo" nimmt sich dem an, was nicht gesagt werden kann und traut sich an Orte die nur intuitiv erfahrbar sind. Themen wie Unterbewusstsein, Vor-Ahnungen, Angst, Suspense, Spannung und Subtext sind Teil ihrer Photographie und lassen sich in dem Begriff der Ungewissheit vereinen. In ihr begegnet man der Furcht vor dem Unbekannten, Fremden, ebenso wie der Abenteuerlust, den Ahnungen und dem Zufall. Sie begibt sich in Ihren Bildern auf die Reise ins Ungewisse, in die Auseinandersetzung mit dem Unkalkulierbaren und seinen Auswirkungen. Was sie findet, ist die Verunsicherung im Behaglichen.

Eibe Krebs

Haus Vogelsang



Für meine Diplomarbeit reiste ich ein halbes Jahr durch Australien, um das Material für eine Foto- und Filmdokumentation zu sammeln. Entstanden sind ein Fotobuch mit dem Namen «Haus Vogelsang» und ein Film mit dem Titel « Looking forward - looking back» ( 86 min.).

Die Menschen, die ich in meiner Arbeit zeige, haben Ihre Wurzeln nie vergessen. Sie füttern ihr Umfeld in Australien mit konservierten Erinnerungen an ferne Kindheit und Jugend. Diese Erinnerungen haben Jahrzehnte unbeschadet und ein wenig idealisiert in den Herzen ihrer Träger überdauert. Das Gute ist geblieben, das Schlechte verschwunden - ein liebenswertes und zugleich etwas verschrobenes Deutschlandbild.

Johannes Mengel

Asyl



Mein Nachbarhaus in Hamburg-Altona ist ein Asylbewerberheim. Asylbewerberheim, das ist ein Begriff den man aus den Medien kennt. Meistens assoziiert man damit Dinge wie Gewalt, Armut, Schmutz, auch die gewalttätigen übergriffe von Neonazis kommen einem in den Sinn. Bilder, die diese Aspekte thematisieren, hätten jedoch zu einer oberflächlichen Lesart geführt und nur die bestehenden Vorurteile gegen solche Institutionen wiederholt. Statt dessen suchte ich nach Fotografien, die die zentralen Eigenschaften des Themas repräsentieren: Isolation, Sehnsucht, Heimweh, Hoffnung, Enttäuschung, Langeweile.

Neben Portraits und Details aus den Zimmern schienen mir auch das Gebäude und seine Lage viel von dem zu symbolisieren, was die Lebenslage der Menschen dort ausmacht. Auf einem der Gebäude ist ein Gerüst angebracht. An diesem Gerüst ist ein Dutzend Satellitenschüsseln befestigt. Für mich wirkt das Gebäude wie ein Raumschiff, verbunden durch diese Satellitenschüsseln mit der Heimat, auf einer Reise, deren Ziel noch nicht klar ist. Noch nicht einmal ihre Dauer ist klar. Sie kann morgen enden, mit der Abschiebung ins Heimatland. Oder eines Tages mit der unbefristeten Aufenthaltsgenehmigung, einer Arbeitserlaubnis, vielleicht irgendwann mit der deutschen Staatsbürgerschaft. Aber das weiß hier keiner. Und so vergehen die Tage bei gutem Wetter im Innenhof, beim Grillen, beim Bier trinken. Oder bei schlechtem Wetter vor dem Fernseher, beim Playstation-Spiel.

Jörg Schiffke

Der Leib geht



Nach dem Sterben, so heisst es, löst sich die Seele vom Körper des Menschen. Sie verlässt ihre Behausung. So treten Körper und Seele getrennt ihre Reisen an. Ich habe den verstorbenen Körper, die Heimstatt der Seele, auf den verschiedenen Etappen bis zur letzten Ruhestätte fotografisch begleitet. Es entstand eine Betrachtung des Umgangs mit unseren Toten und der Trauerkultur in Deutschland.

Malin Schulz

Ramallah



"How to describe Ramallah? It's boring and dangerous."

Samah Hourani, Schülerin

Ramallah gilt als ein Synonym für den scheinbar unlösbaren Nah-Ost-Konflikt: Allzu präsent sind die immergleichen Fernsehbilder und pathetischen Schwarzweiss-Reportagen, die von diesem Ort gemacht wurden. Das tägliche Leben und ihre Bewohner scheinen längst hinter einer Kulisse von Klischeebildern unsichtbar geworden zu sein. Doch wie sieht der Alltag in einer Stadt wie Ramallah jenseits der medialen Verwertbarkeit aus und wie fühlt es sich an, dort zu leben? Diese Diplomarbeit versucht dem Lebensgefühl in einem Krisengebiet nachzuspüren und den Alltag am Rande der Katastrophe aufzuzeigen. Obwohl offiziell die Hauptstadt der palästinensischen Gebiete mit Jerusalem angegeben wird, ist Ramallah das tatsächliche politische, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum - und doch mit seinen 64 000 Einwohner klein und überschaubar wie eine Kleinstadt. Ausgangpunkt der Arbeit sind hierbei die bekannten Orte in Ramallah, wie beispielsweise das Grab von Jassir Arafat, sowie weniger bekannte Orte, die in dem Reiseführer «Lonely Planet» als Sehenswürdigkeiten angepriesen werden. Die Fotos sollen den Zustand von beschützenswerter und doch zerbrechlicher Normalität sichtbar machen und gleichzeitig die Erwartungshalter des Betrachters, wie Opfer-, Täter, und Konfliktbilder auszusehen haben, hinterfragen.

Alexa Seewald

Chamäleonkinder und Brückenmenschen



Eine fotografische Erkundung in Uruguay zu Migration im Kindesalter. Diesem Projekt liegt eine achtmonatige Erkundung in Uruguay zugrunde. In meinen Beobachtungen und Befragungen sind an die 30 Familien und 7 Institutionen beteiligt. Bei den Fotografien handelt es sich um beobachtete Szenen aus dem Leben von Kindern und Jugendlichen, die in wechselnden Kulturen aufwachsen. Hierbei beabsichtige ich nicht, eine fotografische Dokumentation des Alltagslebens zu geben. In symbolhaften Bildern versuche ich das emotionale Erleben dieser jungen globalen Nomaden zu visualisieren. «Chamäleonkinder» und «Brückenmenschen» leben einen Großteil ihrer Kindheit außerhalb ihres Heimatlandes. Im Gegenzug zu den bikulturell aufwachsenden «Brückenmenschen» ziehen «Chamäleonkinder» alle paar Jahre erneut um. Mich Interessierten die Auswirkungen einer Kindheit als globaler Nomade. Was bedeutet es für die Identitätsentwicklung eines jungen Menschen, wenn in seiner Hauptprägungsphase die verlässlichste Konstante der Wechsel ist? Wie gehen diese Kinder damit um, beständig «neu anfangen» zu müssen? Inwiefern beeinflusst dieses «Neue» einen jungen Menschen bei der Suche nach dem eigenen Ich?

Vera Tammen

Drei Minuten mit der Macht



Ich habe den unbedingten Willen, mein Amt auszuüben. Dazu gehört auch Macht. Günther Oettinger (Quelle: Kölner Stadtanzeiger)

Der Politiker als Machtmensch suggeriert Stärke, Haltung und Souveränität. Im Umgang mit den Medien ist er professionell. Er weiß, wie er sich vor der Kamera darzustellen, was er von sich preisgeben, was er repräsentieren will. Oftmals trägt er eine Maske, hat sich einen Schutz nach außen hin angelegt. Die Portraitserie "Drei Minuten mit der Macht" versucht, in kurzer Zeit dieser Hülle medialer Inszenierung nachzuspüren und sich dem Wesen der Portraitierten zu nähern.

Aus den Medien und vor allem von Wahlplakaten kennen wir den Politiker meist als jemanden, der uns etwas verkaufen will, der etwas darstellt, signalisiert: so bin ich, so ist es. So soll es in diesen Portraits nicht mehr darum gehen, gefallen zu wollen oder etwas darzustellen. Durch einen oftmals vorhandenen 'inneren Blick', der auch etwas zurückhält, durch Repräsentationsposen, die den Portraitierten gelassen werden, jedoch in Diskrepanz treten zu Ausdruck und Blick, der nicht mit diesen konform ist, werden die Personen zum Objekt und sind den Blicken des Betrachters ausgeliefert. Sie agieren auf ihrer Bühne wie in einem Wechselspiel aus Stärke, Haltung, Pose und dem Verlieren und Auflösen dieser und werden letztendlich auf sich selbst zurückgeworfen. Der Betrachter kann nun den Politiker beobachten, ihn als Menschen erspüren und auf eine differenzierte Weise selbst beurteilen.

Wassily Zittel

Der letzte Traum Ariadnes



Ein Bild ist ein Mythos. Von diesem Postulat gehe ich in meiner Arbeit aus. Jedes Bild hat in sich einen Mythos als Kern, der abermals seine eigene Symbolik darstellt. Diese Art der Darstellung habe ich für mich als Mythologismus genannt.

Der Mythologismus basiert auf der tiefen Sinnlichkeit des Bildes; das Bild hat immer etwas Rätselhaftes in seiner Struktur; als eines der Hauptmittel wird das Symbol gebraucht, das oft noch nicht als Symbol von der Gesellschaft akzeptiert wird; ein Bild ist ein Mythos oder jedes Bild soll ein Mythos werden; die Kunst ist die moderne Mythologie, eine universelle Sprache, der Künstler baut seine eigene Welt, die er mit Hilfe seiner Bilder zeigt.

Meiner Meinung nach ist eines der Hauptziele der Kunst, einen Mythos zu erschaffen. Die Hauptmittel des Mythologismus sind das Schaffen von neuen Symbolen, das Sehen des Unrealistischen im Realistischen, das Schaffen neuer künstlicher Welten, Räumlichkeiten, die Beschäftigung mit der Innenwelt des Menschen.

Selbstverständlich wird im Mythologismus keine komplett neue Mythologie geschaffen, dies müsste von einem ganzen Volk ausgehen. Für mich ist der Mythologismus eine Kunstrichtung, die einige Mittel und einige Prinzipien aus den bestehenden Mythologien übernimmt und diese umspielt. Alle Mythologien entstanden aus religiösen, künstlerischen Ideologien. Ihre Erschaffer waren Künstler oder religiöse Geistliche ihrer Zeit. In den alten Zeiten waren Religion und Kunst oft miteinander verbunden. Die Kunst nahm ihre Anfänge in den älteren Religionen und diente sakralen Zwecken. Ich fasse den Mythologismus in erster Linie als eine symbolische moderne Weltanschauung und als Schaffen von neuen Sagen und Märchen, die mit neuen Helden und Göttern besiedelt sind.

Die Fotografie als Kunstrichtung versucht sehr selten, neue Mythen zu schaffen, wahrscheinlich liegt das am Medium Fotografie selbst und an seiner Geschichte. Im Gegensatz zur Malerei weist die Fotografie zudem eine wesentlich kürzere Geschichte auf. In ihrer Anfangszeit erfüllte die Fotografie den primären Nutzen, die Realität abzubilden und keine neuen Mythen zu schaffen. Jedoch sei hier zu sagen, dass die Malerei in ihrer früheren Zeit ebenfalls nur eine angewandte Bestimmung hatte, z. B. Ikonenmalerei, ägyptische Totenmaskemalerei. Erst später gewann die Malerei ihre Freiheit und wurde zur Kunst.

Ich beschäftigte mich in der Fotoserie «Der letzte Traum Ariadnes» mit symbolbeladenen Bildern, ich versuchte neue Symbolsprache zu schaffen und auf Basis dieser Symbolik einen neuen Mythos zu erzählen. Jedes Bild in der Serie steht für einen Mythos. In meinen Bildern aber muss man keinen Mythos über Ariadne suchen, weil sich in den Fotografien die neuen noch nicht beschriebenen Mythen verstecken. Das sind die Mythen, die Ariadne in ihrem letzten Traum sieht.